5.4 Planetenbewegung als Einkörperproblem

Für die vereinfachte Planetenbewegung um die Sonne macht man folgende Annahmen:
(i)
Der Schwerpunkt des Systems Planet-Sonne befindet sich im Mittelpunkt der Sonne.
(ii)
Andere Himmelskörper haben keine Auswirkung auf die Bahn des betrachteten Planeten.
Abbildung 5.7: Ekliptik (Erdbahn Scheinbare Sonnenbahn)


Da der Drehimpuls erhalten ist, müssen und immer in derselben Ebene liegen, d.h. die Bewegung eines ungestörten Himmelskörpers um die Sonne definiert eine Ebene. Aus diesem Grund wählen wir zur Beschreibung der Planetenbahn ebene Polarkoordinaten

   
   

Da die Gravitationskraft konservativ ist, wird die mechanische Gesamtenergie ebenfalls zur Erhaltungsgröße

   
     
     

Mit

   
     
     

erhält man schließlich für gegebenen Drehimpuls

einen Ausdruck für die Gesamtenergie, der nur vom momentanen Planetenabstand abhängt. Die effektive potentielle Energie setzt sich zusammen aus der wahren potentiellen Energie und dem Zentrifugalpotential, dem azimutalen Anteil der kinetischen Energie. Für einen gegebenen Drehimpuls lassen sich die folgenden 4 Fälle unterscheiden:

Abbildung 5.8: Effektives Potential eines Planeten im Gravitationsfeld der Sonne

(i)
. :
In diesem Fall hat der Planet einen konstanten Abstand von der Sonne

bewegt sich also auf einer Kreisbahn. Dann ist und somit

Die Umlaufzeit des Planeten beträgt

(wobei benutzt wurde).



Somit haben wir für diesen Fall das 3. Keplersche Gesetz bestätigt.

(ii)
. :
Für den allgemeinen Fall einer gebundenen Umlaufbahn erhalten wir zwei Umkehrpunkte .

   
     
     
     

Dies führt zwangsläufig auf eine Ellipsenbahn mit der Halbachse und der Exzentrizität .

Abbildung 5.9: Zusammenhang zwischen großer Halbachse und den Umkehrpunkten und .

Ansatz:

Vergleich mit ergibt

und bestätigen das 1. Keplersche Gesetz.

(iii)
.:
In diesem Fall ist der Körper gerade ungebunden und bewegt sich von bis , so dass er bei gerade keine kinetische Energie besitzt.

Die Exzentrizität ist , was einer Parabel (siehe Kegelschnitte) entspricht. Solche Körper gehören zum Sonnensystem, sind aber nicht gebunden.

(iv)
.:
Diese Situation ist typisch für Körper, die nicht zu unserem Sonnensystem gehören, also mit kinetischer Energie in das Gravitationsfeld der Sonne eintreten. Sie erreichen einen nächsten Abstand von der Sonne bei

und entfernen sich für immer aus dem Sonnensystem. Die Bahn ist eine Hyperbel .

Dieser Fall entspricht einer dezentralen, elastischen Streuung mit Stoßparameter

Abbildung 5.10: Parameter eines dezentralen Streuproblems


Will man die Trajektorie direkt berechnen, so geht man vom Energiesatz aus und erhält für die radiale Koordinate die DGL

bzw. für die Winkelkoordinate aus

Da nicht von abängt, kann man die Winkeldgl. direkt integrieren, und zwar in folgender Form:

ist dann der Streuwinkel, unter dem der Körper den Einflussbereich des Potentials verlässt (Maple-Arbeitsblatt).
Zu Beginn der Diskussion haben wir gesehen, dass wegen der Drehimpulserhaltung die Planetenbewegung in der Ebene verlaufen muss. Dazu berechnen wir nun das gerichtete Flächenelement , das der Ortsvektor in der Zeit überstreicht

Da aber eine Erhaltungsgröße ist, muss auch zeitlich konstant sein. Somit ist auch das 2. Keplersche Gesetzt bestätigt.

Abbildung 5.11: Zum 2. Keplerschen Gesetz

In Wirklichkeit ist leider alles viel komplizierter. Auf jeden Planeten wirkt nicht nur die Gravitationskraft der Sonne, sondern auch die Kräfte aller anderen Planeten. Zwar ist, wie wir eingangs gesehen haben der Summendrehimpuls eine Erhaltungsgröße, aber auf jeden einzelnen Planeten wirken die Zentralkräfte der anderen Planeten in verschiedenen Richtungen. Somit kommt es zu einem Austausch von Drehimpuls über die interplanetare Wechselwirkung. Damit sind auch die Planetenbahnen komplizierter (nicht mehr in einer Ebene, keine reinen Ellipsenformen). Insbesondere ist das Mehrplanetensystem (ab 3 Planeten) nicht mehr integrabel - d.h. die Anzahl der Erhaltungsgrößen entspricht nicht mehr der Zahl der Freiheitsgrade. Solche Systeme besitzen in der Regel chaotische Lösungen!

Das Applet Kepler's Gesetze löst das himmelsmechanische Einkörper-Problem für einen Satellit, der die Erde umkreist und präsentiert die Bewegung in Form einer Animation.

Zu sinnvoll gewählten Anfangsbedingungen für die Polarkoordinaten von Ort und Geschwindigkeit lassen sich die energetisch möglichen Keplerbahnen (Kreis, Ellipse, Parabel, Hyperbel) erzeugen. Der Betrag der Gravitationskraft ist dabei wie gewohnt F~(1/r)ß mit ß = 2. Was würde wohl passieren, wenn die Gravitationskraft mit einem leicht modifizierten Potenzgesetz abfallen würde, sagen wir ß = 2.05 oder ß = 1.95? Sie werden sehen, wie weittragend das so unscheinbare erste Gesetz von Kepler ist: Planeten (Satelliten) bewegen sich auf Ellipsen um die Sonne (Planeten)!

Zur Bestätigung des 2. und 3. Gesetzes von Kepler stehen alle Informationen in der Ausgabeleiste zur Verfügung: z.B.
a) bestimmen Sie die extremalen Abstände des Satelliten vom Erdmittelpunkt (Radius der Erde 6370km)
b) berechnen Sie daraus die Parameter der Ellipse (große Halbachse und Exzentrizität)
c) bestimmen Sie aus den Polarkoordinaten des Abstandes und der Geschwindigkeit des Satelliten bezogen auf den Erdmittelpunkt die vom Fahrstrahl überstrichene Fläche zum Nachweis des Flächensatzes
d) die Bahndaten zu verschiedenen Anfangsbedingungen erlauben schließlich die Überprüfung des 3. Gesetzes


U. Lechner, H.J. Lüdde