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Lehrbuchreihe von Nolting

Der Besprechung liegen die folgenden Ausgaben zugrunde

W. Nolting, Grundkurs Theoretische Physik 5 Quantenmechanik
Teil 1 Grundlagen
4. Auflage (Vieweg Verlag)

op. cit. Teil 2: Methoden und Anwendungen 2. Auflage (Verlag Zimmermann-Neufang)

Inhalt 1. Band:

1. Induktive Begründung der Wellenmechanik
2. Schrödinger-Gleichung
3. Grundlagen der Quantenmechanik (Dirac-Formalismus)
4. Einfache Modellsysteme
Anhang: Lösungen der Übungsaufgaben

Inhalt 2. Band:

5. QT des Drehimpulses
6. Zentralpotential
7. Näherungsmethoden
8. Mehr-Teilchen-Systeme
9. Streutheorie
Anhang: Lösungen der Übungsaufgaben

Kritik

Aus der Newsgroup wissen ja die meisten Leser, daß ich spezielle Vorstellungen zur Darstellung der Quantentheorie habe, und natürlich ist die Buchkritik daher subjektiv. Das obige Werk habe ich nur überflogen, und es mag ein wenig ungerecht sein, es so oberflächlich zu kritisieren. Gleichwohl, ihr habt's ja nicht anders gewollt, also auf ans Rumkritteln ;-)):

Ich habe das Buch mit gemischten Gefühlen angesehen. Auf der einen Seite ist es eine solide Einführung sowohl in die mathematischen Methoden als auch den physikalischen Gehalt der Theorie. Besonders löblich ist die ungewöhnlich reichhaltige Auswahl an Übungsaufgaben, die jeweils zum Abschluß der einzelnen Kapitel angeboten werden. Das einzig Ärgerliche ist die Tatsache, daß die Aufgaben in aller Ausführlichkeit im Anhang auch gelöst werden. Das verleitet (eigener Erfahrung zufolge) zum allzu frühen Spicken und erschwert es den Assistenten an den Unis, noch ungelöste Übungsaufgaben für die Gruppenübungen zu finden.

Betrachten wir jedoch nun die leider zahlreichen Mängel des Werkes. Zum einen sind die ersten beiden Kapitel, wie Ihr ja wißt, für mich ein Ärgernis; sie entsprichen aber den ausgetretenen Pfaden der klassischen Lehrbuchliteratur der Quantentheorie.

Dafür versöhnt mich Kapitel 3 wieder ein wenig, wo sogar die allgemeine Bildwahl behandelt wird. Die Interpretation ist ein wenig ungenau ausgefallen, weil Messungen einseitig mit ,,Filtern'' gleichgesetzt werden. In den meisten praktischen Fällen ist dies aber nur für die Präparation des Ensembles von gleichen Quantnensystemen auch tatsächlich der Fall. Die meisten Messungen zerstören sogar das Quantensystem, und man hat hinterher daher keinesfalls das System im Eigenzustand des vollständig gemessenen Satzes von Observablen vorliegen. Auf der anderen Seite vereinfacht die Beschränkungen auf ,,Filtermessungen'' die ohnedies für den Anfänger schwierigen Grundlagen. Leider fehlen neuere Betrachtungen zum Interpretationsproblem wie die ,,entangled states'' (EPR), die Bellschen Ungleichungen und deren experimenteller Status.

Konnte man den ersten Band aber, wenn auch mit nicht ganz reinem Gewissen, dem Anfänger durchaus als Begleitbuch zur Vorlesung oder, insbesondere wegen der gelösten Übungsaufgaben auch als Einstiegsbuch zum Selbststudium, bedingt empfehlen, mehren sich im 2. Band die ärgerlichen Fehler, die leider eine gar lange Tradition haben.

Das beginnt im Kapitel 5.3. Dort wird behauptet, die relativistische Theorie des Elektrons, die zudem noch fälschlicherweise als Einteilchentheorie präsentiert wird, allein sei imstande, die korrekte Pauligleichung (also das nichtrelativistische Spin-1/2 Teilchen mit dem korrekten Gyrofaktor 2) herzuleiten. Die Diracgleichung wird nach alter Väter Sitte also als Einteilchenwellenfunktionsgleichung durch Linearisierung der relativistischen Energie-Impuls-Beziehung hergeleitet. Daß das gleiche Vorgehen auch für die Pauligleichung direkt funktioniert scheint dem Autor entgangen zu sein (das findet sich sogar in der ansonsten gar nicht empfehlenswerten Lehrbuchreihe von Greiner). Außerdem läßt es sich auch aus dem allgemeinen Eichprinzip herleiten. Das kann freilich bei dem gänzlich die so wichtigen Symmetrieprinzpien aussparenden Werk nicht auffallen!

Die übrigen Kapitel sind wenig heikle Anwendungsthemen und werden auf solide, wenig spektakuläre Weise behandelt. Positiv fällt die sorgfältige und ausführliche Behandlung der klassischen Umkehrpunkte beim WKB-Verfahren (Sommerfeld, der die historische Priorität beanspruchen darf, wird leider wieder einmal unterschlagen) auf.

Das Buch ist dem Anfänger auf seiner Reise zur modernen Physik als Wegbegleiter nur bedingt zu empfehlen, aber wie es sich mit Reiseführern so verhält, ist es keineswegs geeignet, eine Region vollständig zu erfassen, und es muß unbedingt geraten werden, auf modernere Lehrbücher (Sakurai, Ballentine, Schwinger) zurückzugreifen, sobald einmal die Grundlagen verstanden und die Problematik der Quantentheorie, auch in ihren experimentellen und meßtheoretischen Aspekten, durchdrungen werden will. Ich denke aber doch, daß gerade dazu die ausführliche Darstellung auch der Rechenmethoden dem Leser des Nolting ein solides Fundament verschafft.




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