6 Beschleunigte Bezugssysteme

In Kapitel 1.5 haben wir gesehen, dass Inertialsysteme gleichwertig zur Beschreibung physikalischer Vorgänge sind (Relativitätsprinzip). Hingegen treten in beschleunigten Bezugssystemen Scheinkräfte auf, die der Beschleunigung entgegen wirken.

6.1 Beschleunigte Bezugssysteme

Abbildung 6.1: : Inertialsystem, : beschleunigtes Bezugssystem


bewegt sich relativ zu einem Inertialsystem beschleunigt. Für jeden Punkt im Raum gilt

   

Um die Geschwindigkeitstransformation zu bestimmen, nehmen wir an, dass eine beschleunigte Translationsbewegung beschreibt. Das System rotiere darüber hinaus (ohne Beschränkung der Allgemeinheit) um die z-Achse mit der Winkelgeschwindigkeit . Wir wollen für den Augenblick die Translationsgeschwindigkeit vernachlässigen und annehmen,

Abbildung 6.2: Bewegung eines bezüglich des rotierenden Systems festen Raumpunktes


dass und einen gemeinsamen Koordinatenursprung besitzen, also . Sei ein fester Punkt bezüglich des rotierenden Systems. Bezüglich des Inertialsystems ändern sich die Komponenten des Punktes in der Zeit um den Verschiebungsvektor , also

 
   
   

und somit

   

Bewegt sich der Massenpunkt zusätzlich im Raum mit der Geschwindigkeit , so ergibt sich für die Verschiebung insgesamt
Abbildung 6.3: Bewegter Massenpunkt im rotierenden Bezugssystem


   

und

   

An dieser Stelle müssen wir unterscheiden zwischen der internen Bewegung des Massenpunktes relativ zum rotierenden System und der Gesamtbewegung gesehen aus dem Inertialsystem , von der aus man die Rotation des Systems sieht
 
 

Diese Transformation zwischen Zeitableitungen von Vektoren des Inertial- und rotierenden Systems gilt allgemein, d.h. auch für die Geschwindigkeit der Systeme

 
   
   

(Bemerkung: ist für beide Systeme gleich. Beweis: q.e.d.). D.h. wir erhalten für die Beschleunigung eines Massenpunktes im rotierenden System ( ) bezogen auf die Beschleunigung im Inertialsystem ( )

   

Kommt zusätzlich noch eine beschleunigte Translationsbewegung des Koordinatenursprungs von hinzu, erhält man

   

Der 'wahren Beschleunigung' gemessen im Inertialsystem wirken offenbar vier 'Schein-kräfte' entgegen: (i) Trägheitskraft eines linear beschleunigten Bezugssystems (typisch in Aufzügen) (ii) Corioliskraft, die auf einen im rotierenden Bezugssystem bewegten Massenpunkt wirkt, (iii) die Zentrifugalkraft und (iv) eine Scheinkraft, die durch eine ungleichmäßige Rotationsgeschwindigkeit hervorgerufen wird. Wir wollen uns im Folgenden auf die zwei Scheinkräfte beschränken, die wir in einem erdgebundenen Bezugssystem spüren: die Zentrifugalkraft und die Corioliskraft.

M. Keim, H.J. Lüdde